Frühlingsvorlesung aus der Reihe “Unruhe bewahren”
Die Vorlesungen werden sich unterschiedlichen Formen der Intervention durch menschliche oder natürliche Einwirkung widmen, die fundamentale Veränderungen bewirken. Alle solchen Interventionen können unter dem Begriff der Störung gefasst werden. Aber was genau kennzeichnet eine Störung, wie kann man sich dem grundsätzlich negativ belegten Wort so nähern, dass sich unerwartete Felder öffnen?
Ausgehend von einer kurzen etymologischen Bestandsaufnahme der Wurzeln des Wortes möchte ich das Thema über den Begriff des “gestörten Geländes” angehen, ein ursprünglich nur im englischsprachigen Bereich genutzter Terminus aus der Naturkunde, wo die “disturbed lands” ein Gelände kennzeichnen, das nach einer Phase oft sehr intensiver Nutzung und Überprägung durch den Menschen allmählich wieder an die “Natur” fällt.
Ich möchte mich in diesen Vorlesungen zwei sehr spezifischen Orten widmen, die sich für eine Betrachtung von unterschiedlichen Störfeldern besonders eignen: Im ersten Teil wird es um die Schieferinseln gehen, eine Gruppe kleiner Inseln vor der Westküste Schottlands, die von den Spuren des über Jahrhunderte erfolgten industriellen Schieferabbaus gezeichnet sind. Hier werden Fragen von Natur und Ausbeutung aber auch soziokulturelle Störungsausläufer solcher Vorgänge beleuchtet. Der zweite Teil wird sich mit einem Gelände um das ehemalige Oskar Helene Heim im Westen Berlin drehen, in dem sich mehrere störungsgeprägte Schichten auf einem ursprünglich der Heilung zugedachten Boden überlagerten. In diesem Teil wird es einerseits um historische Belastung als Störfeld gehen und andererseits um Fragen einer Definition von Natur unter dem Aspekt von Verfall und Krankheit als Störung.
Esther Kinsky ist Autorin von Prosa, Essay, Lyrik und literarische Übersetzerin. Sie ist im Rheinland aufgewachsen, am Fuß der damals nördlichsten Weinberge von Europa. Das Rheintal und das Siebengebirge, das Bewusstsein des rheinischen Schiefergebirges als Boden unter den Füßen prägten ihre Wahrnehmung und ihr Verhältnis zur umgebenden Welt. Kinsky wurde mit zahlreichen namhaften Preisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Kleist-Preis 2022.
Die letzten Veröffentlichungen sind: Rombo, Roman, (2022); FlussLand Tagliamento, Gedichte (2020); Schiefern, Gedichte (2020)
Preise und Infos zur Anmeldung unter:
www.literaturhaus-graz.at
Eine Veranstaltung von Akademie Graz in
Kooperation mit Literaturhaus Graz, Residenz Verlag, und Ursulinen Graz